Hofansicht von der Strasse aus. Im rechten Teil war die Gasstätte und das Waschhaus, links die grosse Getreidescheune (hier nicht sichtbar).

Das Gesamtensemble des heutigen Karl Marx Hofes wurde um 1921 in Gollensdorf errichtet. Es bestand aus Wohnhaus, Gaststätte mit Saal, großer Scheune mit Getreidespeicher, kleiner Scheune mit Sanitäranlagen für die Gaststätte.

Bis 1952 wurde der Hof und die Gaststätte von der Familie Wiebelitz geführt. 1952 wurde der Hof Teil der ersten LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) der DDR und Sachsen-Anhalts. Offizieller Titel LPG des Friedens Brigade 1. Hauptaufgabe war die Gewinnung von Getreide. Die LPG wurde im Ort Gollensdorf  mit einer eigenen Wäscherei versorgt. Gollensdorf war geplant als erstes sozialistische Dorf in Sachen-Anhalt. Beschäftigt in der Agrar-LPG waren ca. 20 Menschen. Die Beschäftigten waren aus den ehemaligen Ostgebieten Umgesiedelte und Geflüchtete sowie ansässige Bauern, die dem Kollektiv beitraten.

Die Familie Wiebelitz wurde mit anderen Familien in Gollensdorf von der Ortsabteilung der SED für unsicher in Fragen des Sozialismus erklärt und aus diesem Grund umgesiedelt. Diese Umsiedlung wird in dem Buch „Achtung Sperrgebiet“ von Werner Barm beschrieben. Ein Abschnitt dieses Buches, welches im Allgemeinen die Situation im Sperrgebiet beschreibt handelt von dieser Umsiedlung mit dem Namen „Aktion Ungeziefer“. Der offizielle Name der Umsiedlung lautete  nach Befehl Nr.35 des Minister des Inneren der DDR „Aktion  Wohnungswechsel“. Die Bezeichnung der Umsiedlungsaktion als „Aktion Ungeziefer“ geht auf eine Protokollnotiz des Innenministers Thüringens, Willi Gebhard, zurück. In der Protokollnotiz nannte er die Umgesiedelten Ungeziefer. Hier findet ihr  ein You Tube Video zu der Umsiedlung: Film Aktion UngezieferFolgender Link führt zu einem Ausschnitt des Buches Achtung Sperrgebiet. Link:  Aktion Ungeziefer. Die Umsiedlung erfolgte vom Bahnhof im Nachbarort Groß Gartz mit der Bahn in den Süden Sachsen-Anhalt und Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern.

Gollensdorf lag in der Sicherheitszone der DDR und unterlag strengen ständigen Kontrollen. Die Sicherheitszone war der Puffer auf der DDR-Seite zur Demarkationslinie zwischen Ost- und Westblock. Es war keine „normale“ Grenze im eigentlichen Sinn. Gleichwohl lässt sich sicherlich darüber streiten, ob die Rigorosität in der Form dieser Umsiedlungen notwendig war. Die Bezeichnung dieser Umsiedlungen als „Aktion Ungeziefer“ und die Durchführung mit Viehtwagons aber ist so nahe am Sprachgebrauch der Nationalsozialisten bezüglich unwerten Lebens, dass einem schaudert, wenn so etwas unter sozialistischen Vorzeichen formuliert wird.

Familie Wiebelitz mit Hausangestellten im August 1942

Nach den Säuberungsmaßnahmen wurde die Bevölkerung in den Sperrgebieten weiterhin sehr genau beobachtet, ob sie dem DDR Sozialismus gegenüber systemkonform waren. So wurde die Aufenthaltsberechtigung faktisch jedes Jahr erneut überprüft. 1961 gab es die zweite Aussiedlungswelle, 1971/73 eine dritte im Bereich Bömenzien.

Der heutige Karl-Marx-Hof diente dann in DDR Zeiten neben dem Agrarbereich auch als Kulturhaus und Kindergarten.

Nachdem die DDR im Systemkampf mit dem Kapitalismus den Kürzeren gezogen hat, wurde das Gehöft wieder der Familie Wiebelitz im Rahmen der Restitution übergeben.  Die Familie kehrte nicht mehr nach Gollensdorf zurück sondern verpachtetet den Hof. 1996 hat Wilhelm Wiebelitz den Hof verkauft. Von dem damaligen Besitzer wurden dann Sanierungsarbeiten am Dachstuhl ausgeführt und zwei neue Wohnungen im Obergeschoß hergestellt. 2006  wurde der Hof erneut verkauft und das jetzige Wohnprojekt wurde realisiert. Weitere Sanierungsarbeiten erfolgten, unter anderem wurden der Saal der Gaststätte in zwei weitere Wohnungen umgewandelt, neue Fenster eingebaut und die Schornsteinköpfe erneuert.